Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt
Das Internationale Bodenseefestival steht 2005 unter dem Titel „Spiritualität und Lebenslust” – eine Sonderausstellung in der Galerie Bodenseekreis am Schlossplatz in Meersburg untersucht in diesem Rahmen das Marienbild zeitgenössischer Künstler in Malerei, Skulptur, Fotografie und Installationen.
Unter den Motiven christlicher Kunst ist das Bild der Muttergottes dasjenige, das von Künstlern zu allen Zeiten am häufigsten gestaltet worden ist – und dies, obwohl Maria in den Evangelien nur am Rande erwähnt wird und alle Informationen über sie auf apokryphe Quellen zurückgehen. Als Person der christlichen Überlieferung ist Maria von Freuden ebenso wie von Schmerzen geprägt, sie ist gleichzeitig Mutter und Jungfrau, Leidende und Heilige, Gelehrte und Wohltäterin, Herrscherin und Magd.
Vom Mittelalter bis zur Neuzeit nahm die Muttergottes innerhalb der Heilsgeschichte der Kirche eine Sonderstellung ein. Sie ist gewissermaßen das weibliche Pendant zur „männlichen” Trinität aus Gottvater, Heiligem Geist und Christus. „Maria hat geholfen” – in diesem Dank begegnen sich Volksfrömmigkeit und die Kraft des Wunders inmitten des Alltags. Anders als Christus, dessen Erlösungswerk sich erst eschatologisch, am Ende der Zeiten, vollzieht, wirkt Maria seit jeher im Hier und Jetzt. Sie ist im Alltag gegenwärtig und in der Vielzahl ihrer Erscheinungsweisen zugleich Adressatin von Wünschen, Gebeten, Ängsten und Projektionen.
Für die Kunst ist die Überlieferung, dass der Evangelist Lukas, auf dessen Evangelium der Ausstellungstitel „Sei gegrüßt, Maria!” zurückgeht, die Madonna gemalt habe, von besonderer Bedeutung. Maria ist die einzige Heilige, an der der künstlerische Prozess von Abbild, Vorstellung und Darstellung beispielhaft wird. Die in Bezug auf Maria vollzogene Vergegenwärtigung mittels eines Bildes führte dazu, dass Maria früh als Frau der Gegenwart, als Frau aus dem Volk interpretiert wurde. Es bildeten sich Bildtypen heraus, die über Jahrhunderte ihre Gültigkeit behielten. Von den anonymen Bildhauern der mittelalterlichen Vesperbilder über Künstler wie Cranach, Dürer, Botticelli, Raffael, Rubens – die entwickelte Ikonografie des Marienbildes erwies sich bis ins 19. Jh. (Nazarener) als wirkungs- und bildmächtig.
Auch der Bodenseeraum ist reich an Maria geweihten Kirchen. Auf deutscher Seite sind dies – um die beiden größten zu nennen – das Münster in Salem und die barocke Wallfahrtskirche Birnau, deren Gnadenbild 1750 unter der Anteilnahme von 20.000 Gläubigen geweiht wurde. Die über Jahrhunderte währende Verbindung von Kunst und Kirche erlitt im 19. Jahrhundert einen Bruch. Mit der Emanzipierung der Künstler verlor das an der Überlieferung orientierte Heilsgeschehen als künstlerisches Thema an Bedeutung. Stattdessen bezogen sich die künstlerischen Aussagen immer stärker auf das persönliche Empfinden des Künstlers. Die Bedeutung der Kirche als Auftraggeber für die an liturgischen Bedürfnissen ausgerichteten Kirchenausstattungen schwand. Die neuen Madonnen, etwa von Edvard Munch, der Maria in eine Ikone des Weiblichen schlechthin verwandelte, oder Max Ernst, dessen Jungfrau den Sohn züchtigt, riefen tiefgreifende Skandale hervor.
Fast scheint es, als ob das Marienbild der Moderne nach diesen Grenzuntersuchungen und –überschreitungen keine namhaften künstlerischen Aussagen mehr hervorruft. Das Gegenteil ist der Fall. Auch in der Gegenwart gibt es eine Fülle an Künstlern, für die die historische Figur „Maria“ ebenso wie ihre vielfältige Ikonografie eine Inspiration darstellt. Die offensichtliche Verbindung zum jeweils zeitgenössischen Frauenbild prägt nach wie vor einen Teil des künstlerischen Schaffens. Weitere Ansätze sind Vielschichtigkeit, Serialität und neue, ungewohnte Materialien. Waren die Lukasmadonnen noch im herkömmlichen Sinne gemalt, so greifen Künstler heute zu neuen Medien und Techniken: Bilder werden mit verschiedenen Papieren collagiert, fotografische Vorlagen werden reproduziert oder Leuchtkästen und Bildschirme bringen die Motive zum Leuchten und in Bewegung. Die Ausstellung zeigt Werke von Mira Bergmüller, Wolfgang Eckert, Tobias Eder, Julia Elsässer-Eckert, Isabel Haase, Christian Hörl, Wolfgang Kaiser, Hubert Kaltenmark, Nico Raabe, Peter P. Rast, Marco Schuler, Ulrike Shepherd (mit Dorle Ferber) und Dietlinde Stengelin.
Jüngst entstandene Fotografien der Überlinger Fotografin Barbara Zoch Michel dokumentieren die große Verbreitung von Mariendarstellungen in den Kirchen und Klöstern der Bodenseeregion. In der Galerie am Schlossplatz eröffnet sich somit ein Rundgang, der von der ikonografischen Tradition des Marienbildes zu den zeitgenössischen Interpretationen in Malerei, Skulptur, Fotografie und Video führt.
Die Eröffnung findet am Sonntag, dem 24. April 2005 um 17 Uhr im Spiegelsaal des Neuen Schlosses in Meersburg statt. Als Gastredner untersucht Prof. Dr. Klaus Schreiner, Historiker und renommierter Marienexperte, die Tradition des Marienbildes in der Kunst der Gegenwart. Die musikalische Begleitung übernimmt Quattro Voci aus Meersburg, ein Ensemble, das für diesen Anlass marianische Gesänge einstudiert hat.
- Die Ausstellung ist vom 26. April bis 26. Juni 2005 in der Galerie Bodenseekreis am Schlossplatz in Meersburg zu sehen.
- Die Eröffnung findet am Sonntag, 24. April 2005, um 17 Uhr im Spiegelsaal des Neuen Schlosses in Meersburg statt. Es spricht Prof. Dr. Klaus Schreiner, Historiker und Marienexperte (Autor des Buchs „Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin”, 1994). Die musikalische Begleitung übernimmt das Ensemble Quattro Voci, Meersburg.
- Zur Ausstellung erscheint ein Booklet mit Biografien aller teilnehmenden Künstler und Angaben zu ihren Werken. Es ist in der Ausstellung und im Kulturamt zum Preis von 3,- Euro erhältlich.
- Das Begleitprogramm umfasst thematische Sonderführungen (auf Anfrage).
- Am Dienstag, dem 26. April 2005 findet um 16 Uhr ein Pressegespräch in der Ausstellung statt (Anmeldung unter Tel. 07541-204-5872).
Ansprechpartner:
Dr. Andrea Dippel
Kulturamt Bodenseekreis
Albrechtstr. 75
88045 Friedrichshafen
Tel. 07541-2045872
Fax 07541-2045875
dr.andrea.dippel@bodenseekreis.de