Ende September geht nach 3 ½ Jahren ein Modellprojekt zu Ende, das dank der Teilnahme des Bodenseekreises nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch zu einer Erfolgsgeschichte wurde: Das Modellprojekt „Persönliches Budget für Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg“. Das Modell brachte nicht zuletzt die erstaunliche Erkenntnis, dass billigere Leistungen in manchen Fällen die besseren sein können.
Nur drei baden-württembergische Landkreise erklärten sich 2002 zur Teilnahme an dem Modellprojekt bereit, das vom Sozialministerium ausgeschrieben wurde: Neben dem Bodenseekreis der Rems-Murr-Kreis und der Kreis Reutlingen. Am erfolgreichsten wurde das Modell ganz im Süden umgesetzt, 28 von insgesamt 49 Budgetfällen wurden aus dem Bodenseekreis eingebracht. „Drei Gründe für den Erfolg speziell im Bodenseekreis“ hebt Andreas Köster, der Sozialdezernent des Kreises, hervor: „Das große Engagement der beteiligten Einrichtungen, ihre vorzügliche Zusammenarbeit mit dem Landkreis und die bewährte Koordination und Federführung durch Rainer Barth, den Sozialplaner des Landkreises.“ Auf Trägerseite waren im Kreis die St. Gallus-Hilfe der Stiftung Liebenau, der Verein Pauline 13, die Camphill-Gemeinschaften und das Heim des ZfP Weißenau beteiligt.
Ein persönliches Budget unterscheidet sich grundlegend von den üblichen Leistungen für behinderte Menschen. Der Betroffene erhält je nach individuellem Hilfebedarf einen monatlichen Betrag zwischen 400 und 1.300 Euro, den er eigenständig und ohne über die Verwendung Buch führen zu müssen, einsetzt, um die Hilfen, die er zur Bewältigung seines Alltags benötigt, einzukaufen. Das kann er bei professionellen Trägern tun, deren Fachkräfte dann die eingekauften Hilfen erbringen, er kann damit aber auch Nachbarn, Bekannte oder andere Privatpersonen bezahlen. Ziel ist so oder so die selbstbestimmte und selbständige Gestaltung des Alltags. Es kann sich um Unterstützungsleistungen handeln für Wohnen und Haushalt, für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben, für Bildung, Freizeit, für Kommunikation und Information sowie für Mobilität. Konkrete Beispiele sind Haushaltshilfen, Einkaufshelfer, Fahr- und Essendienste, Begleitung ins Kino oder zu Spaziergängen am See.
Von den 24 Modellteilnehmern aus dem Bodenseekreis, die ihr Budget von der Eingliederungshilfe erhalten, hat je die Hälfte eine geistige und eine psychische Behinderung. Ebenfalls die Hälfte der Budgetnehmer konnte durch das Modell zum Teil nach langen Jahren Aufenthalt das Heim verlassen, bei der anderen Hälfte konnte durch das Budget eine anstehende Heimaufnahme verhindert werden. Die Begleitforschung erhielt in mehreren Interviewreihen eine durchweg positive Bewertung durch die Modellteilnehme. Nahezu einhellig sprechen sie von einer Verbesserung ihrer Lebenssituation durch die gewonnene Freiheit. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund erfreulich, dass persönliche Budgets im Durchschnitt 800 – 1.000 Euro pro Fall und Monat weniger kosten als ein Heimaufenthalt. Eine erfreuliche Botschaft also auch für den Landkreis als Kostenträger der Eingliederungshilfe, deren Ausgaben sich aktuell auf rund 30 Millionen Euro im Jahr belaufen.
Andreas Köster hebt bei seiner Bewertung zwei positive Aspekte besonders hervor. Zum einen bilde die erfolgreich erprobte Kooperation zwischen dem Landkreis und den erwähnten beteiligten Einrichtungen eine sehr gute Grundlage für die ab Herbst anstehende Behindertenhilfeplanung, und dies „sowohl inhaltlich als auch atmosphärisch“, zum anderen bestätige die jüngste Gesetzgebung des Bundes die Richtigkeit der seinerzeit nicht unumstrittenen Teilnahme an diesem Modellprojekt. Die Erkenntnisse aus dem baden-württembergischen Modell, und, darauf verweist man beim Landratsamt mit einem gewissen Stolz, speziell diejenigen aus dem Bodenseekreis, haben den Gesetzgeber bewogen, in allen sozialen Leistungsgesetzen persönliche Budgets als zusätzliche Leistungsform festzuschreiben, derzeit noch als sogenannte Kannleistung, ab 2008 als Pflichtleistung. Da sie sich speziell bei der Eingliederungshilfe, für die der Landkreis zuständig ist, bewährt haben, hat sich der Bodenseekreis durch die Modellteilnahme einen fachlichen Vorsprung erworben und Lernprozesse hinter sich, die von anderen Landkreisen erst noch durchlaufen werden müssen.
Nähere Informationen zum persönlichen Budget erhält man im Landratsamt beim Sozialplaner Rainer Barth unter der Telefonnummer 07541 204-5306 und der E-Mail Adresse rainer.barth@bodenseekreis.de