Alleinerziehende sind für die heimische Wirtschaft eine unverzichtbare Ressource motivierter und fachlich kompetenter Mitarbeiter. Angesichts des demografischen Wandels können es sich Wirtschaft und Gesellschaft nicht erlauben, diese brachliegen zu lassen. Dennoch haben junge Mütter und Väter in vielen Fällen noch immer große Schwierigkeiten, Familie und Beruf beziehungsweise Ausbildung in Einklang zu bringen, was umso mehr für Alleinerziehende gilt. Teilzeitmodelle sind ein wichtiger Schritt, dieser Herausforderung zu begegnen. Das war das zentrale Ergebnis einer Fachtagung für regionale Arbeitgeber am 20. Juni 2012 in Friedrichshafen. Eingeladen hatte das
Unterstützungsnetz für Alleinerziehende im Bodenseekreis „UNA“ und das Netzwerk für Alleinerziehende „einsplus“ des Landkreises Sigmaringen.
„Nach so vielen Absagen war ich schon ziemlich sicher, dass mich keiner für eine Ausbildung nehmen wird, als dann die Einladung zum Vorstellungsgespräch kam“, berichtete Saskia Schuster, eine junge alleinerziehende Mutter einer Tochter. Schuster hat in Teilzeit eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau absolviert. „Während der Ausbildung hatte ich weniger Geld zur Verfügung als ich als Sozialhilfeempfängerin hatte“, so Schuster. Es habe sich aber gelohnt, denn „ich habe mein Ziel erreicht, dadurch eine feste Arbeitsstelle zu finden.“
Angetan von den Schilderungen der jungen Mutter sagte Mark Joachim, Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Bodensee-Oberschwaben, „Mitarbeiter wie Sie kann jedes Unternehmen brauchen“, und wünschte sich von jungen Menschen Leistungsbereitschaft und Motivation. Er plädierte aber auch für neue familienorientierte Konzepte in den Unternehmen - weg von den starren konservativen Modellen, hin zu modernen, flexiblen Angeboten für Frauen und Männer im Familienbildungsalter.
„Bei einer Arbeitslosenquote von derzeit 2,4 Prozent im Bodenseekreis können wir von einer sehr guten Arbeitsmarktentwicklung reden. Die Unternehmen der Region haben bereits die ersten Schwierigkeiten, freie Stellen zu besetzen“, erklärte Andreas Köster, Sozialdezernent des Bodenseekreises und Schirmherr des Projektes UNA. „Aber auch bei diesen positiven Vorzeichen ist es für eine Alleinerziehende oft nicht einfach, auf dem Bewerbermarkt konkurrenzfähig zu bleiben“, stellte der Sozialexperte klar.
„Die Zeiten der Vollzeitpräsenz der Beschäftigten in der Firma sind vorbei. Die neue Generation der Fachkräfte möchte Familie und Beruf unter einen Hut bringen können. Mütter wie Väter wollen neben dem Beruf auch Zeit für ihre Kinder haben“, so Ricarda Bayer von der Beratungsfirma rb consulting. Sie ermutigte die Firmenchefs und Personalverantwortlichen, mit gutem Beispiel voranzugehen und sich hin und wieder mal einen Nachmittag freizunehmen, um mit ihren Kindern in das Strandbad zu gehen.
Alleinerziehende Frauen hätten mit Vorurteilen zu kämpfen, seien dabei aber oft gut organisiert, motiviert und wollten nicht ewig zu Hause beim Kind bleiben, erläuterte Irene Schmutz-Bohnes, die seit vielen Jahren in der Ravensburger Kontaktstelle Frau & Beruf Frauen beim beruflichen Wiedereinstieg berät. „Sie sollen sich bewerben und Mut zeigen, auch wenn nicht alles im Lebenslauf das Bild eines perfekten Bewerbers abgibt“, so die Expertin. „Eigentlich haben wir durch die aktuelle Arbeitsmarktsituation Rückenwind für die Frauen und auch die Rahmenbedingungen werden immer besser. Aber es muss sich noch einiges in den Denkstrukturen der Arbeitgeber bewegen“, zeigte sich Schmutz-Bohnes überzeugt.
Bernhard Baldas, stellvertretender Sprecher des Netzwerks Teilzeitausbildung Baden-Württemberg, berichtete über einige erfolgreich abgeschlossene Ausbildungen bei der Stadtverwaltung Karlsruhe. „Wir haben das geschafft, weil das Thema Ausbildung in Teilzeit dort zur Chefsache wurde“, erläuterte Baldas. Eine alleinerziehende Frau hat sogar als Jahrgangsbeste abgeschnitten. Während des vorgeschalteten Praktikums können sich sowohl der Arbeitgeber als auch die künftige Auszubildende ein Bild davon machen, was sie in den nächsten drei Jahren erwartet und danach ihre Entscheidung treffen. Er appellierte an die Personalverantwortlichen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Gastgeber Georg Beetz, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bodenseekreis betonte, die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sei ebenfalls ein wichtiger Eckpfeiler einer familienbewussten Unternehmenskultur. Diesen Werten fühle sich die Handwerkerschaft verpflichtet und unterstütze daher das Projekt UNA.
Rund 30 Unternehmer, Firmenvertreter und Personalexperten waren der Einladung zu der Fachtagung in den Räumen der Kreishandwerkerschaft in Friedrichshafen gefolgt. Nach Expertenvorträgen und einer Podiumsdiskussion nutzten die Fachleute die Gelegenheit zu Gesprächen und Meinungsaustausch. Durchgeführt wurde die Tagung durch das „Unterstützungsnetz für Alleinerziehende im Bodenseekreis“ (UNA), das federführend vom Jobcenter des Landratsamtes Bodenseekreis organisiert wird, sowie „einsplus – Netzwerk für Alleinerziehende“ aus dem Landkreis Sigmaringen. Beide Projekte sind Teile des ESF-Bundesprogramms „Netzwerke wirksamer Hilfen für Alleinerziehende“ des Bundesarbeitsministeriums und werden aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union kofinanziert.