Bereit, wenn Kinder in Not sind

Bereitschaftspflegefamilien geben Kindern kurzfristig ein vorübergehendes Zuhause. (Foto: Fotolia)

Wenn das Jugendamt anruft, muss es meist sehr schnell gehen: Irgendwo im Bodenseekreis kann ein Kind nicht bei seinen Eltern bleiben und braucht sofort ein vorübergehendes Zuhause. Oft sind Gewalt, Alkohol oder massive Verwahrlosung im Elternhaus der Grund. „Akute Kindeswohlgefährdung“ nennen das die Fachleute der Jugendhilfe. Um dem Kind in so einer schwierigen Situation sofort ein sicheres und unterstützendes Umfeld geben zu können, arbeitet das Jugendamt mit sogenannten Bereitschaftspflegefamilien zusammen. Aktuell sucht das Landratsamt Einzelpersonen, Paare und Familien, die solch eine anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen wollen.

Kinder und Jugendliche, die in eine Bereitschaftspflege kommen, zeigen oft besondere Verhaltensweisen. Manche sind zum Beispiel sehr anhänglich, andere wiederum stark abweisend. Das ist verständlich, kommen sie doch in der Regel aus sehr schwierigen Lebenssituationen und finden sich nun, von einem Moment auf den nächsten, in einer fremden Umgebung wieder. „Die große Herausforderung für die Bereitschaftspflegefamilien ist es, dem Kind in solch einem Fall Sicherheit und Geborgenheit zu geben und seinen Bedürfnissen entgegenzukommen“, sagt Barbara Heinzelmann vom Jugendamt Bodenseekreis. Das Bedürfnis nach Sicherheit sei dabei das Wichtigste, unterstreicht sie. Sie bezeichnet die Zeit in der Bereitschaftspflegefamilie - meist sind es einige Wochen - auch als „Klärungsphase“. Denn in dieser Zeit muss entschieden werden, wie es mit dem Kind und dessen Familie weitergehen kann. Im Idealfall wirken alle Beteiligten dabei gut zusammen und erarbeiten gemeinsam, wie künftig Gefährdungen verhindert werden können. „Unser Ziel ist es grundsätzlich, dass das Kind bald wieder in seine eigene Familie zurückkehren kann“, erklärt Barbara Heinzelmann. Über allem stehe aber immer die Frage nach dem Kindeswohl und manchmal müsse auch ein Familiengericht eine Entscheidung treffen, macht Heinzelmann deutlich. 

Das Besondere an einer Bereitschaftspflegefamilie ist, dass sie nahezu jederzeit dafür offen ist, schnell und ungeplant einen jungen Menschen aufzunehmen. Daher muss die Familie vor allem sehr flexibel sein. Wenn der Anruf vom Jugendamt kommt, kann es sein, dass sie das Kind schon eine Stunde später in Empfang nimmt. „Die Kinder brauchen dann schnell einen Platz, weil sie zu Hause nicht bleiben können. Für ältere Kinder ab sechs Jahren wäre zwar ein Heim auch eine Alternative. „Aber Heim ist nicht gleich Familie“, so Heinzelmann, und bei kleineren Kindern komme ohnehin nur eine Bereitschaftspflege infrage. Das Jugendamt sei deshalb dringend auf Menschen angewiesen, die bereit sind, Kinder in solch einer akuten Situation aufzunehmen, betont die Sozialarbeiterin.

Aktuell sucht das Landratsamt Personen im Bodenseekreis, die sich vorstellen können, solch eine Aufgabe zu übernehmen. Interessenten sollten in gesicherten finanziellen Verhältnissen leben und in der Lage sein, auf die Bedürfnisse der Kinder oder Jugendlichen einzugehen, um ihnen somit ein vorübergehendes Zuhause zu bieten. Von Vorteil wäre außerdem eine pädagogische Ausbildung oder Erfahrung in diesem Bereich.

Angehende Pflegefamilien werden auf ihre neue Aufgabe vorbereitet und absolvieren einen Qualifikationskurs, bevor sie als Bereitschaftspflegefamilien zugelassen werden, betont das Jugendamt. Diese zusätzliche Fortbildung ist auch nötig, denn es ist eine besondere pädagogische und auch emotionale Herausforderung, wenn die Kinder kurzfristig und ohne vorherige Angewöhnung in die Familie kommen und sie mit Sicherheit nach einigen Wochen wieder verlassen werden. „Diese spezielle Form der Betreuung erfordert schon ein gewisses Maß an Professionalität und kann durchaus mit anderen pädagogischen Berufen verglichen werden“, erklärt Barbara Heinzelmann.

Als Gegenleistung für die Aufnahme eines jungen Menschen, dessen Alter die Familie übrigens vorher selbst bestimmen kann, bietet das Landratsamt eine kontinuierliche fachliche Beratung und Unterstützung. Zudem werden eine finanzielle Grundausstattung und eine angemessene steuerfreie Vergütung gezahlt. Dennoch achtet das Jugendamt darauf, dass dies nicht das alleinige Einkommen der Pflegefamilie darstellt.

Wer sich vorstellen kann, ein Kind oder Jugendlichen auf diese Weise bei sich aufzunehmen, zu versorgen und seinem Alter entsprechend zu unterstützen, erhält beim Jugendamt Bodenseekreis weitere Informationen und Beratung: Tel. 07541 204-5646 oder E-Mail: barbara.heinzelmann@bodenseekreis.de.