Landratsamt nimmt Stellung zu Brandschutzkontrollen in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge

Am 14. Juni 2016 berichtete der Südkurier über das Vorgehen des Landratsamts in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende in Überlingen-Goldbach. In der Folge erreichten die zuständigen Stellen im Landratsamt mehrere teilweise offene Briefe sowie Anrufe. Darin wird das angeblich unachtsame, unmenschliche und sogar rechtswidrige Agieren der Behörde kritisiert. Nachfolgend antworten wir auf die vorgebrachten Kritikpunkte und Fragen und stellen klar:

• Eigentumsrechte der Flüchtlinge werden nicht verletzt. Die aus Brandschutzgründen nicht zulässigen Gegenstände sind uns zur Entsorgung übergeben worden.

• Die Brandschutzkontrollen kommen nicht überraschend. Mehrere Tage vor dem angekündigten „Entrümpelungstermin“ sprechen die Heimleiter mit den Bewohnern und erklären, welche Gegenstände warum nicht in den Zimmern bleiben können.

• Die Mitarbeiter des Landratsamts gehen mit Augenmaß vor. Wir bestehen zum Beispiel nicht darauf, dass Kinderspielzeug oder Gebetsteppiche aus den Zimmern entfernt werden. Vorhänge können solange bleiben, bis eine andere Sichtschutzlösung gefunden wurde.

Feuer und Rauch durch Brandereignisse sind die lebensbedrohliche Gefahr in großen Gemeinschaftsunterkünften schlechthin. Wo viele Menschen auf engem Raum leben, Einrichtungen gemeinsam genutzt werden, unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, man möglicherweise nicht mit hiesigen Sicherheitsstandards und Verhaltensweisen in Gefahrensituationen vertraut ist, kommt es schnell zu Situationen, die schlimme Folgen haben können. Das ist nicht nur Theorie: durchschnittlich mehrmals im Monat rückt die Feuerwehr nach Alarmen der Brandmeldeanlagen zu einer unserer rund 35 Standorte von Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge aus. Häufigste Ursache ist angebranntes Essen. Aber auch Zigaretten, Kerzen, Räucherstäbchen und Küchengeräte in den Wohnräumen finden die Sicherheitskräfte vor. Das sind keine Lappalien sondern potentielle Brandherde und damit eine konkrete Gefahr für Leib und Leben.

Was bedeutet Brandschutz?

Aus diesem Grund nimmt der Bodenseekreis das Thema Brandschutz in seinen Gemeinschaftsunterkünften sehr ernst. Das beginnt beim Baugenehmigungsverfahren. Hier wird viel Energie in ein Brandschutzkonzept gesteckt, zum Beispiel  Brandschutztüren, Brandmeldeanlagen, Fluchtwege und die Qualität der verbauten Materialien. Für jede Unterkunft gibt es auch eine Heimordnung, die zum Beispiel untersagt, dass eigene Möbel und Ausstattungsgegenstände in die Räume gebracht werden. So können vor allem ältere oder defekte Elektrogeräte Brände verursachen, leicht brennbare Gegenstände wie Vorhänge zur schnellen Ausbreitung eines Feuers führen und sperrige Gegenstände Fluchtwege blockieren und zu Stolperfallen werden. All diese Gefahren lassen sich niemals gänzlich ausschließen, müssen aber auf ein Minimum reduziert werden. Dafür trägt das Landratsamt insgesamt und auch jeder beteiligte Mitarbeiter persönlich die Verantwortung.

Besonders bemerkenswert, um nicht zu sagen: absurd, erscheint uns an dieser Stelle das von Kritikern geäußerte Unverständnis darüber, dass wir es in einem Holzgebäude übermäßig genau mit der Aussonderung brandgefährlicher Gegenstände nähmen. „Gerade dort“, können wir darauf nur antworten.

Wie geht das Landratsamt vor?
 
Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, führen unsere Heimleiter immer wieder Kontrollen der Wohn- und Gemeinschaftsräume durch. Die Wohnräume werden grundsätzlich nur nach Anklopfen, im Beisein sowie mit dem Einverständnis der Bewohner betreten. Treffen die Heimleiter auf Gegenstände oder Situationen, die den Brandschutzvorschriften widersprechen, erklären sie die Hintergründe und setzen eine mehrtägige Frist. In dieser Zeit kann der betreffende Bewohner den Gegenstand zum Beispiel bei Bekannten oder ehrenamtlichen Helfern einlagern, ihn verkaufen oder entsorgen. Andernfalls bieten wir an, den Gegenstand nach Ablauf der Frist durch unsere Hausmeister kostenlos entsorgen zu lassen. In Einzelfällen, wenn es sich um besondere oder wertvolle Gegenstände handelt, bieten wir an, diese zu verwahren und händigen sie wieder aus, wenn der Eigentümer aus der Gemeinschaftsunterkunft auszieht. Es wird also nichts enteignet, weggenommen oder gegen den Willen der Bewohner entsorgt. Das Landratsamt setzt hier auf die Kooperation und die Einsicht in den Sicherheitsgewinn für alle.

Was ist erlaubt, was nicht?

In den Wohnräumen der Gemeinschaftsunterkünfte nicht erlaubt sind insbesondere: zusätzliche Großmöbel vor allem aus Holz oder leicht entflammbarem Material, Vorhänge aus leicht entflammbarem Material, Teppiche, zusätzliche Elektrogeräte wie beispielsweise Heizlüfter, Kochplatten, Wasserkocher und Röhrenfernseher.

Erlaubt sind in einem vernünftigen Umfang: Spielzeug, Kinderstühle, Gebetsteppiche, Spielteppiche, Musikinstrumente, Hilfsmittel für Krankheit/Behinderung sowie Radios, Fernseher, Ladegeräte und ähnliches, die den heutigen Sicherheitsstandards entsprechen.

Die Heimleiter entscheiden vor Ort und im Einzelfall mit Augenmaß und können gegebenenfalls begründete Ausnahmen genehmigen.

Das hier beschriebene Vorgehen praktiziert das Landratsamt schon seit langem in seinen Gemeinschaftsunterkünften. Wenn auch nicht alle Bewohner begeistert darüber sind, sich von Gegenständen zu trennen, überwiegen Einsicht und Kooperation. Größeren Erklärungsbedarf gibt es vor allem in älteren Unterkünften, wo Menschen schon länger leben und sich mit der Zeit teilweise gefühlte Ansprüche auf Besitzstände und Verhaltensweisen herausbilden. Selbstkritisch müssen wir heute sagen, dass wir in einigen Unterkünften in kürzeren Abständen hätten kontrollieren und in Einzelfällen konsequenter bei der Umsetzung sein müssen. Der Grund dafür sind die enormen Anstrengungen, die die Flüchtlingskrise seit Mitte 2015 allen Beteiligten abverlangt hat. Es gab in den vergangenen Monaten mehrfach Momente, in denen wir nicht sicher wussten, wo und wie wir alle uns angekündigten Flüchtlinge unterbringen können. Das hat phasenweise alle Aufmerksamkeit und Energie beansprucht.

Was war Mitte Juni in Goldbach los?

Seit Mitte April 2016 wurden die Bewohner mehrfach durch die Heimleitung und die hauswirtschaftliche Beratung darauf hingewiesen, dass gemäß § 5 der Heimordnung der ursprüngliche Zustand der Zimmer und Allgemeinflächen, wie sie bei Bezug vorgefunden wurden, wieder hergestellt werden müssen. Die Räume dürfen also nicht eigenmächtig möbliert und ausgestattet werden.

Am 2. Juni 2016 sind der örtlich zuständige und ein weiterer erfahrener Heimleiter ab etwa 10:30 Uhr systematisch durch alle drei Gebäude des Standorts gegangen, um die Brandschutzkontrolle in allen Räumen durchzuführen. Dabei waren auch Sprachmittler für Französisch, Arabisch und Farsi. Es wurde den Bewohnern klar mitgeteilt, dass die benannten Gegenstände bis zum 13. Juni aus der Gemeinschaftsunterkunft zu entfernen sind. Aufgrund der anwesenden Sprachmittler konnten die Heimleiter davon ausgehen, dass die Bewohner die Anliegen und den Sicherheitsgewinn für ihre Familien verstanden haben. Eine Bewohnerin, an deren Tür geklopft wurde, gab zu verstehen, dass sie gerade erst aufgestanden sei. Die Kontrolle des Zimmers fand dann etwa eine halbe Stunde später statt. Ein Bewohner gab an, nicht auf einen zusätzlichen Holzschrank verzichten zu können. Ihm wurde daraufhin ein weiterer Metallspind angeboten, den er auch akzeptierte. Bei etwa fünf Wohnräumen war kein Bewohner anzutreffen. Diese Kontrollen wurden durch den örtlichen Heimleiter zu späteren Zeitpunkten durchgeführt.

Am 13. Juni 2016 ab 8:00 Uhr fand dann wie angekündigt der Termin statt. Nach dem Eindruck unserer Mitarbeiter waren die betreffenden Bewohner darauf gefasst, offenkundig war niemand überrascht. Die zuvor angesprochenen Bewohner haben die benannten Gegenstände nach draußen gebracht, bei den großen Möbelstücken haben die Hausmeister geholfen. Aus etwa 30 Wohnräumen wurden Gegenstände entfernt. Dabei handelte es sich vor allem um Sofas, Kleinmöbel und Teppiche. Eine einzelne Person aus der Unterkunft äußerte ihren Unmut über die Aktion, zum Teil auch durch Beschimpfen unserer Mitarbeiter. 

Um einen Eindruck zu geben, wie die Mitarbeiter des Landratsamts diesen Vormittag des 13. Juni in der Gemeinschaftsunterkunft Goldbach erlebt haben, geben wir hier den Bericht eines unserer Mitarbeiter wieder. Die Namen nennen wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht:

Bei meinem Eintreffen um 8:00 Uhr an besagtem Tag waren schon manche Bewohner auf den Beinen und auf die Umsetzung des Brandschutzes vorbereitet. Als Bewohner Herr A. uns jedoch sah, nahm er gleich sein Handy und tätigte Anrufe. Sehr schnell waren dann auch drei ehrenamtlich in Goldbach tätige Herren sowie eine Dame vom Südkurier vor Ort. Schon bei meinem Eintreffen fiel mir ein älterer hölzerner Kinderhochstuhl in Haus 73 auf, der von den Bewohnern als Außentürstopper benutzt wurde. Derselbe Stuhl lag schon Tage zuvor immer wieder irgendwo im Gras. Mir konnte auch nie jemand sagen, wem der Kinderhochstuhl gehört. Die Dame vom Südkurier schnappte sich den Stuhl, drückte ihn Herrn A. in die Hand und forderte ihn auf, mit nach vorne zu den Fahrzeugen zu kommen, um ihn damit zu fotografieren. Sie äußerte dabei, wie unmöglich so ein Vorgehen sei, den Menschen sogar noch Kinderstühle wegzunehmen. Nach unserer Erklärung, dass niemandem Kinderstühle weggenommen werden, sagte sie zu Herrn A.: „Na gut, dann können wir den nicht nehmen, dann nehmen wir halt einen anderen!“ Dann stand Herr A. plötzlich mit einem Bürostuhl aus dem Heimleiterbüro in den Händen da und wurde damit am Anhänger der Hausmeister fotografiert.

Dieses Bild erschien dann auch in der Zeitung mit der Bildunterschrift „Schweren Herzens trennt sich A. von seinem Bürostuhl.“