Vor zehn Jahren bekannte sich Deutschland zur UN-Behindertenrechtskonvention, einem völkerrechtlichen Vertrag, der Inklusion zum Menschenrecht erklärt. Seither geht es nicht mehr nur um die Fürsorge für Hilfsbedürftige in unserem Land, sondern um deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Doch der Weg dahin ist lang. Wie Inklusion in den Städten und Gemeinden des Bodenseekreises verstanden, gelebt und verantwortet wird, ist das Schwerpunktthema des neuen Kreisjahrbuches „Leben am See“, das am 23. Oktober 2019 in Friedrichshafen und tags darauf in Überlingen öffentlich präsentiert wird. Band 37 der Reihe, die der Bodenseekreis zusammen mit den beiden größten Städten herausgibt, lässt viele Protagonisten zu Wort kommen. So wie Tiemo Odenbach, Bewohner der Stiftung Liebenau, der zum ersten Mal wählen durfte. Oder den Überlinger Mundmaler Lars Höllerer, der aus seinem Handicap buchstäblich Kunst gemacht hat. Oder Sebastian Dierig, der als Betroffener und Beauftragter für Menschen mit Handicap sehr genau beschreibt, wo noch Handlungsbedarf besteht.
Es gibt faszinierende Beispiele dafür, wo versucht wird, die Teilhabe behinderter Menschen in einem ganzen Ort zu leben. So wie in Oberteuringen. Dabei hilft das „Haus am Teuringer“ genauso wie eine Beauftragte für Inklusion, die die Gemeinde seit drei Jahren beschäftigt. Verena Bentele, ehemalige Spitzensportlerin und aktuelle Präsidentin des Sozialverbandes VdK, wuchs - von Geburt an blind - in Tettnang auf einem Bauernhof auf. „Egal ob beim Reiten, Radeln oder auf der Skipiste: Unsere Eltern haben mir beigebracht, dass mit der besten Unterstützung, mit einem Team, vieles machbar ist“, sagt sie im Interview, in dem sie ihre privaten und beruflichen Erfahrungen mit Inklusion schildert. Die kann nicht staatlich verordnet und von Ämtern geregelt werden, sagt Ignaz Wetzel, Sozialdezernent im Bodenseekreis. Nur wenn viele mitmachen, kann Inklusion funktionieren.
Zwei Drittel der 45 Beiträge im neuen Kreisjahrbuch, geschrieben von fast so vielen Autoren, erzählen spannende und beeindruckende Geschichten aus Politik und Gesellschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft, Kultur und Kunst, Sport und Ehrenamt, Geschichte und Chronik. In der Reihe „Besondere Berufe“ werden die Schiffsanbinder aus Immenstaad vorgestellt. Was der deutsche Astronaut Alexander Gerst vom Bodensee mit auf seinen Weltraumflug nahm, wie zwei Studenten der Welt ganz einfach den Klimawandel erklären, zwei Männer zu Schlossherren wurden oder dass ein Kunsthandwerker aus Heiligenberg mit Goldfäden klöppeln kann, erfahren die Leser des neuen „Leben am See“ aus erster Hand.
Für einen überaus lebendigen Part von Inklusion bei der Präsentation des Buches sorgen in Friedrichshafen die integrative Band „Na und“ der Diakonie aus Pfingstweid in Tettnang. In Überlingen liefert die Band „Spektakel“ von der Dorfgemeinschaft Hermannsberg aus Heiligenberg Lebensfreude mit Musik.
Darüber hinaus werden zwei junge Künstler auf der Bühne stehen, die auch im Buch eine Rolle spielen. Mit Franziska Broschek tritt bei der Vorstellung in Friedrichshafen eine Tänzerin auf, die von Klassik bis HipHop über ein beeindruckendes Repertoire verfügt und 2018 mit dem Künstlerförderpreis der Stadt Friedrichshafen geehrt wurde. Nicht weniger erfolgreich ist Fabio Kopf, Absolvent der Jugendmusikschule Meersburg, der im vergangenen Jahr in der Kategorie Musical den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ gewann und in Überlingen eine Kostprobe geben wird.
INFO
Der neue Band 37 von „Leben am See“ wird - jeweils um 19:30 Uhr - am Mittwoch, 23. Oktober 2019 im GZH Friedrichshafen und am Donnerstag, 24. Oktober 2019 im Kursaal Überlingen präsentiert. Der Eintritt ist frei. Im Anschluss laden die Herausgeber zum Stehempfang ein.
Bildinfo: Inklusion von Menschen mit Behinderung ist das Schwerpunktthema des neuen Bodenseekreis-Jahrbuchs „Leben am See“ – wie zum Beispiel bei der Firma Sonett in Deggenhausertal.
Fotos: Landratsamt Bodenseekreis