Das Kulturamt des Bodenseekreises lädt zur Buchvorstellung „Stützpfeiler der Gewaltherrschaft in der Provinz“ ein. Der Makdorfer Historiker Walter Hutter untersucht darin das Wirken der acht NS-Kreisleiter von Überlingen in der Zeit von 1930 bis 1945. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 13. Februar 2020 um 18:00 Uhr in Noltes Culture Lounge im Gunzoweg 1 in Überlingen statt und wird von Landrat Lothar Wölfle eröffnet. Im Gespräch mit Kulturamtsleiter Dr. Stefan Feucht stellt Walter Hutter dann sein Buch vor. Die Überlinger Schauspielerin Johanna A. Wolf wird einige Passagen aus dem Werk lesen. Michael T. Otto und Heiner Mark umrahmen die Veranstaltung musikalisch. Der Eintritt ist frei.
Walter Hutters Arbeit ist Band 4 der vom Bodenseekreis herausgegebenen Reihe „Südseite“, die in Zusammenarbeit mit dem UVK-Verlag in Konstanz erscheint und sich mit der Geschichte und Kultur des nördlichen Bodenseeraums befasst. Das Buch stellt einen Meilenstein in der Aufarbeitung und Untersuchung der Geschichte des Nationalsozialismus in der Stadt Überlingen und im westlichen Teil des heutigen Bodenseekreises dar. Als territoriale Statthalter Hitlers waren die NS-Kreisleiter auf der mittleren Führungsebene zwischen Gauleitern und Ortsgruppenleitern mit weitreichenden Eingriffsrechten ausgestattet, sodass sie über die Möglichkeit verfügten, ein totalitäres Regime auf Bezirksebene zu entfalten. Sie waren die „kleinen Könige“ in der Provinz. Das Buch verdeutlicht, wie die nationalsozialistische Ideologie immer mehr Lebensbereiche umfasste und Gegner sowie Andersdenkende aus Ämtern und Stellungen gedrängt und bis zur letzten Konsequenz verfolgt wurden.
Im Altkreis Überlingen herrschten zwischen 1930 und 1945 acht Kreisleiter. Die schillerndste Figur war sicherlich Gustav Robert Oexle. Als ehemaliger Kriegsheld im Ersten Weltkrieg baute Oexle den NS-Parteiapparat in der Region auf und wurde erster Kreisleiter von Überlingen. Er machte nach 1933 rasch Karriere, war zunächst Gebietsinspektor der NSDAP, dann Landtags- und Reichstagsabgeordneter und später Sonderbeauftragter im Stab des Stellvertreters des Führers, Rudolf Hess. Oexle, der sich bei Kriegsende das Leben nahm, galt bei den Amerikanern als „Key Nazi“, also als Schlüsselfigur des Regimes. Auch sein Nachfolger Alfons Hafen, der sich als Provokateur und Agitator in Überlingen einen Namen gemacht hatte, machte schließlich ebenfalls Karriere als Funktionär in der Organisation „Kraft durch Freude“. Wilhelm Mensch, der von 1936 bis zu seinem überraschenden Herztod 1940 den Überlinger Kreis leitete, zeigte gelegentlich humane Züge. Ansonsten war er ein ebenso überzeugter Nationalsozialist wie sein Nachfolger Ernst Bäckert, der für seine Härte und Unerbittlichkeit im Umgang mit politischen Gegnern berüchtigt war.
Walter Hutter: Stützpfeiler der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in der Provinz. Die acht NS-Kreisleiter von Überlingen 1930 – 1945.
Band 4 der Reihe „Südseite“ – Kultur und Geschichte des Bodenseekreises
UVK-Verlag, Konstanz 2020, 342 S. mit zahlreichen Farb- und Abbildungen, Hardcover 29 Euro, ISBN 978-3-86764-863-9
Weitere Informationen auch beim Kulturamt des Bodenseekreises, Schloss Salem, Tel. 07541 204-6410 oder E-Mail kulturamt@bodenseekreis.de.
Bildinfo: Kreisleiter Alfons Hafen redet zum ersten Mal in Überlingen
Foto: Lauterwasser, Überlingen