Wir werden gelegentlich gefragt, warum wir keine persönlichen Angaben über Todesopfer im Zusammenhang mit Corona machen. Darauf gibt es zwei Antworten, eine juristische und eine ethische:
Die juristische Antwort: Es besteht im juristischen Sinn kein überwiegendes öffentliches Interesse an dieser Information. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Kenntnis dieser Fakten wichtig wäre, um das eigene Verhalten anzupassen und damit Gefahr von sich selbst abzuwenden. Davon kann bei einem Einzelfall aber nicht die Rede sein, zumal es längst viel großflächigere statistische Daten über die Opfer- und Risikogruppen gibt. Folglich ist für uns der Persönlichkeitsschutz der einzelnen Opfer und Angehörigen weit höher zu stellen, als die Neugierde mancher Menschen.
Die ethische Antwort: Wir wissen, dass ein großer Anteil der Verstorbenen in Baden-Württemberg, Italien und anderswo eher höheren Alters war und oftmals auch Vorerkrankungen hatte. Das sind statistisch wichtige Informationen, die den Behörden und Kliniken beispielsweise helfen, sich bestmöglich auf einen massenhaften Ausbruch der Erkrankung vorzubereiten. Das Sozialministerium veröffentlicht diese Zahlen auch täglich aktuell. Daraus wird übrigens auch ersichtlich, dass es in fast allen Bevölkerungsgruppen Opfer gibt. Wenn es aber um einzelne Betroffene geht, wollen wir gar nicht erst in die Nähe einer Bewertung kommen. Der Tod eines Menschen ist nicht weniger beklagenswert, weil sie oder er ein bestimmtes Alter hatte. Es muss auch egal sein, ob es ein Mann oder eine Frau war. Es darf auch gar nicht erst der leiseste Gedanke aufkommen, dass jemand mit Vorerkrankung vielleicht sogar ein wenig Mitschuld an seinem Tod hat, weil sie oder er sich womöglich besser hätte schützen können oder sollen. Wenn man diesen Gedankenstrang weiterdenkt, kommt man ethisch in ganz schwieriges Fahrwasser. Das sollten wir vermeiden. Auch deshalb haben wir uns als Behörde und als Menschen dagegen entschieden, persönliche Informationen der Betroffenen preiszugeben.
Wir können gut verstehen, dass diese vermeintliche Informationslücke ein ungutes Gefühl hinterlässt, weil die Nachricht nicht vollständig erscheint und man sich selbst das Bild vom Geschehen nicht so gut vor dem geistigen Auge ausschmücken kann. Das sind wir gewohnt, denn beispielsweise bei Verkehrsunfällen bekommen wir solche Informationen ja auch. Aber selbst hier stellt sich oft die Frage, welches berechtigtes Interesse das unbeteiligte Publikum daran hat, Alter, Geschlecht, Vorerkrankung und Familienstand eines verunglückten Radfahrers zu erfahren. Spätestens bei Gesundheitsfragen gibt es hier aber eine Grenze.
Im Übrigen sollte niemand die falschen Schlüsse ziehen, wenn immer von älteren Opfern mit Vorerkrankung die Rede ist. Es gibt keine Garantie, dass die Erkrankung im Einzelfall nicht doch einen schweren Verlauf nimmt, auch wenn man statistisch zu keiner Risikogruppe gehört. Und jeder, der aus Leichtfertigkeit dazu beiträgt, dass das Virus sich schnell weiterverbreiten kann, gefährdet am anderen Ende der Infektionskette womöglich ein Menschenleben. Dass das nicht nur Theorie ist, belegen die Bilder aus Italien und dem Elsass.